Herr der Tannen
Thomas Emslander hat sein Leben dem Weihnachtsbaum gewidmet
Kennen Sie diesen Moment? Die Lichter funkeln. Papa setzt die Spitze auf die geschmückte Tanne. Musik spielt, während die Kinder mit großen Augen schauen und Mama andächtig innehält. Alles ist rechtzeitig fertig nach dem Schmücken des Christbaums, das noch lange Stoff für Anekdoten liefert. Nun kann Weihnachten kommen. Der Baum steht.
Nun, die Realität sieht nicht immer genauso aus, daher ein Trost: „An den perfekten Baum erinnern sich Menschen später kaum. Vom Baum mit Charakter, mit zwei oder drei Spitzen oder einer Besonderheit – davon sprechen sie noch zehn Jahre später“, erzählt Thomas Emslander. Er verkauft seit Anfang der 50er Jahre Weihnachtsbäume und war fast 30 Jahre lang Vorsitzender des Verbands bayerischer Christbaumanbauer. „Eine Zeit lang fragten die Menschen gezielt nach zwei Spitzen“, sagt er. 2015 trug auch der Christbaum auf dem Petersplatz in Rom zwei Wipfel – schließlich gab es durch den Rücktritt von Papst Benedikt XVI. zwei Päpste im Vatikan.
Nicht ganz perfekte Bäume gibt es immer wieder, auch wenn Emslander und seine Kollegen das ganze Jahr arbeiten, um für die Festtage makellose Exemplare zu erzeugen. Zur Adventszeit lehnen in seinem Hof in Unterglaim bei Landshut hunderte Nadelbäume in ordentlichen Reihen an Holzgerüsten. Der größte seiner Art ist sogar weithin sichtbar. Emslanders Sohn Thomas hat ihn aus rund 125 Bäumen zusammengesteckt und mit roten Kugeln geschmückt.
Beim Aussuchen an den Wochenenden sorgen Glühwein und Bratwürstl für Stimmung. Und neben dem Hof können Traditionsbewusste ihren Baum sogar selbst schlagen. Ein Erwachsener schultert die Bügelsäge und die Kinder „finden zielsicher die Bäume mit Charakter“, schmunzelt Emslander und empfiehlt: „Kommen Sie dafür vor dem 22. Dezember.“ Denn ein zu schneller Wechsel von der Plantage ins Wohnzimmer wirkt wie ein Schock und lässt die Nadeln früh purzeln.
In Emslanders riesiger Halle wählen Kunden bei Schnee und Regen gemütlich aus zehn Arten aus. Neben den beliebten Nordmann- und Nobilistannen und der pieksenden Blaufichte gibt es Douglasien, Küstentannen, Kiefern, Coloradotannen mit zitronig duftenden Nadeln, schmale Korktannen und Weißtannen. Jedoch keine Weißfichten, mit denen für Emslander alles angefangen hat. Sein Vater bekam eine falsche Lieferung zur Aufforstung, pflanzte dennoch und 1959 verkauften sie die ersten Christbäume. In den 70ern zunehmend duftende Blaufichten und seit den 80ern vor allem die dunkelgrüne Nordmanntanne.
Was in Emslanders Wohnzimmer steht, ist Verhandlungssache. Seine Frau plädiert für die Nordmanntanne mit den weichen, beständigen Nadeln, der Fachmann bevorzugt eine Coloradotanne mit filigranen, langen Nadeln oder eine silbrige Blaufichte. Und wie sieht der perfekte Christbaum aus? „Fünf Etagen, eine regelmäßige, dichte Form und eine typische, satte Farbe“, sagt der Forstwirt. Der Verkäufer weiß aber auch: Ist eine Seite weniger ausladend, kommt das gerade recht, wenn diese ohnehin zur Wand zeigen wird. Hauptsache, es passt.