Das Christkind im Bergwald

In der Dämmerung am Nachmittag des Heiligen Abends flog das Christkind wie in jedem Jahr von Haus zu Haus und legte unter die Christbäume der braven Kinder heimlich alle die schönen Gaben, die sich diese gewünscht hatten. Dabei halfen ihm die vielen Weihnachtsenglein, denn am Heiligen Abend musste auch das letzte Päckchen seinen Platz gefunden haben. Als alle Arbeit getan war, sprach das Christkind zu seinen geflügelten Begleitern: „So, ihr fliegt nun wieder hübsch ordentlich in den Himmel zurück. Ich selbst aber bleibe noch ein Weilchen hier, um nachzuprüfen, ob die Kinder meine Geschenke auch verdienen.“

Rasch vertauschte das Christkind nun sein Silberkleid mit einem unscheinbaren Röckchen und legte auch den goldenen Strahlenkranz beiseite. Als armes Bettelkind trat es jetzt seine Wanderung an. Bescheiden klopfte es beim ersten Wohnhaus an die Türe und bat um ein dürftiges Plätzchen in dieser eisigen Frostnacht. Zornig rief da der Bauer: „Nicht einmal heute hat man Ruh vor diesem Bettelvolk“, und er wies das arme Kind schroff von seiner Türe. Da horchte es am Fenster, ob nicht vielleicht die Kinder den Vater noch umstimmen würden. Doch die tollten lärmend um den Christbaum und dachten nicht an fremde Not.

Da ging das Christkind betrübt zum nächsten Haus. „Stille Nacht, heilige Nacht“ klang es ihm schon von weitem entgegen. „Da werde ich sicher brave Kinder finden“, sagte es zu sich selbst. Leise öffnete es einen Spalt im Fensterladen. Mit hochroten Backen standen die Kleinen und Großen um den leuchtenden Tannenbaum und ließen sich soeben die süßen Leckerleien des Christkinds schmecken. Als dieses leise seine Bitte vorbrachte, versteckte Hänschen sein Lebkuchenherz rasch hinter dem Rücken und Lieschen schaute erschrocken auf das fremde Kind und fürchtete, mit ihm womöglich teilen zu müssen. Auf einen Wink der Mutter suchte es schließlich aus seinem Teller doch noch nach einer Gabe und reichte ihm ein angebranntes Plätzchen. Da senkte das Christkind traurig sein Köpfchen und wanderte weiter.

Endlich kam es an ein stattliches Haus. Es gehörte dem Bürgermeister. „Hier haben die Leute alles im Überfluss“, dachte das Christkind, „sie werden mich gewiss beherbergen.“ Auf sein schüchternes Pochen öffnete eine dicke Magd und sagte kurz: „Heute wird niemand vorgelassen, der Herr feiert mit seiner Familie gerade Weihnachten.“ Von drinnen ertönte eine raue Stimme: …

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Bayerland Verlag, 2024, 19,90 Euro

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