Leuchtender Glaube
Mario Schoßer schafft farb- und formgewaltige Kunst zum Anschauen und Anfassen
Die späte Vormittagssonne bringt die Äste eines abstrahierten Granatapfelbaums in der gläsernen Außenwand der Johannes-von-Gott-Kapelle in Straubing zum Leuchten. In der Kuppel über unseren Köpfen funkelt rot der Granatapfel selbst, das Symbol der Barmherzigen Brüder, auf deren Boden die lichtdurchflutete Kirche steht. Sie ist das Herzstück unter den Werken von Künstler Mario Schoßer aus Aukam (bei Landshut). Eine Kapelle, die Kunst und Religion für alle erlebbar macht – und das vom frühen Morgen bis zum späten Abend.
Ein Jesuskind zum Streicheln
In dieser Kirche gibt es Dinge, die man sonst nirgends findet: Ein ewiges Licht, bei dem keine echte Flamme, sondern nur eine rote Glühbirne flackert, damit sich niemand verbrennt. Eine etwas gedrungen wirkende, sitzende Maria mit einem Jesuskind auf dem Schoß, das weit die Arme ausbreitet, damit man es herzen kann. Nicht nur die Skulpturen, auch die bunten gläsernen Wände, das Altarbild – alles darf man berühren. Denn diese Kapelle ist keine „behindertengerechte Kirche“, sagt Mario Schoßer, sondern „eine Kirche für Behinderte“ inmitten der Wohnanlagen für Menschen mit Behinderung. Gemeinsam mit Architekt Michael Naumann hat Schoßer das Gebäude so geplant, dass hier gelebt und geliebt werden darf. Das Jesuskind hat glatt gestreichelte Bronze- Hände. Die Besucher schenken ihm selbst gemalte Bilder, Blumen und Kuscheltiere. Sie ertasten mit den Fingern die feine Körnung des Altarbilds, können sehen und fühlen, wo Schoßer mit dem Sandstrahler Geschichten des wachsenden Granatapfelbaums und der Nächstenliebe in die dreilagig verglasten bunten Fenster gebannt hat.
Ein Lichtblick in der dunklen Jahreszeit
Der heute 70-jährige Maler, Druckgrafiker und Glasmaler hat von den Apostelleuchtern bis zu den Skulpturen alles in dieser Kapelle selbst gestaltet. Und nicht nur in dieser Kirche bringt jeder Sonnenstrahl seine farbenfrohen Fenster zum Leuchten. Zum Beispiel auch in Landshut, Regensburg, Passau und Bad Füssing kann man Schoßers Werke bestaunen. Trotzdem: Die Straubinger Kapelle ist für den gläubigen Katholiken und ehemaligen Ministranten „immer der wichtigste Fixpunkt“. Nicht nur, weil seine Eltern aus Straubing stammen und er hier das gesamte künstlerische Konzept übernehmen durfte, auch wegen der Menschen. Während Schoßer mir erklärt, wie das Glas der Fenster hergestellt und anschließend bearbeitet wird, kommt einer der Bewohner der Wohnanlage herein. „Wie heißt Du“?, fragt er mich. Dann zeigt er mit dem Finger auf den Künstler: „Und wie heißt er?“ Nachdem die Frage zu seiner Zufriedenheit geklärt ist, setzt er sich zu uns in die Kirchenbank. Dies ist eine inklusive Kirche, wo Kunst, Religion und Miteinander gelebt werden – nicht nur zu Weihnachten. Die Johannes-von-Gott-Kapelle ist seit
dem Jahr 2009 für alle Menschen mit und ohne Behinderung das ganze Jahr über geöffnet. Am Tag bringt die Sonne die Farben im Inneren zum Strahlen, bei Dunkelheit dringt das Licht gelb, orange, rot und blau aus der Kirche nach draußen. So oder so ein Lichtblick in der dunklen Jahreszeit.
Die Weihnachtsgeschichte in zehn Glasbildern – jetzt in Straubing
Weihnachten rot – weiß
Ein Schaf und drei Hirten, Stöcke in den Händen, sind mit wenigen Strichen weiß auf rotem Glas angedeutet. Das Einstiegsbild des Weihnachtszyklus‘ von Mario Schoßer ist zusammen mit neun weiteren Motiven der Reihe ab dem 1. Advent in St. Michael in Straubing zu sehen.
Mundgeblasenes Glas statt Leinwand
„Die rote Fläche entspricht der Einfachheit des weißen Blattes Papier, das Weiß soll den schnellen Pinselstrich rüberbringen“, sagt der Maler. Doch trotz der klaren abstrahierten Bildsprache und schlichten Farbgebung ist an den zehn Kunstwerken gar nichts einfach. Das fängt beim Material an: Das Glas wird in der Glashütte Lamberts in Waldsassen mundgeblasen, in Röhrenform. Die Röhren werden längs aufgeschnitten und auf über 1.000 Grad erhitzt. „Dadurch fällt das Glas wie Pfannkuchen auseinander und wird flach“, erklärt der Künstler.
Wie die Tuschezeichnung aufs Gleis kommt
Auf seinen Wunsch hat es drei Schichten: Unten rot, in der Mitte weiß und oben wieder rot. Oben drauf klebt Schoßer eine Spezialfolie, die er zuvor mit seiner eingescannten Pinselzeichnung bedruckt hat. Der bedruckte Teil wird mit Wasser weggewaschen. So entstehen Löcher in Form der Zeichnung in der Folie, durch die der Glasmaler mit dem Sandstrahler die oberste rote Glasschicht entfernt, „ganz vorsichtig, sonst haut’s alles zusammen“. Das Ergebnis: Schaf und Hirten, Weiß auf Rot.
Für eine noch stärkere Wirkung hat der Künstler Holzkästen um seine zehn Bilder bauen lassen und LEDLampen darin installiert.
Ohne Glauben „kann man das nicht malen“
So leuchtet den Besuchern der Ausstellung auf Bild zwei die heilige Familie entgegen – für Schoßer das zentrale Weihnachtsmotiv, denn er hat schon als Kind „Jesu Geburt zelebriert“ und die Christmette als Höhepunkt seines Ministrantendienstes empfunden. Obwohl er sich als „kritischen Christen“ bezeichnet, spürt man, wie wichtig Religion ihm ist: „Die Grundfesten sind bei mir fest – sonst kann man das nicht malen.“ Die Ausstellung in St. Michael soll auch Besuchern die Möglichkeit geben, einen neuen, künstlerischen Zugang zur Weihnachtsgeschichte zu finden und Licht in ihr Leben bringen.
Von Ulrike Kühne
Die Mario-Schoßer-Kunst-Tour:
Straubing:
Johannes-von-Gott-Kirche
Bad Füssing:
Heilig-Geist-Kirche
Simbach bei Landau:
Kapelle des Caritas-Hauses der Diözese
Regensburg:
Eustachius-Kugler-Kapelle
Landshut:
St. Wolfgang