Täglich grüßt das Jesuskind
Andächtig kniet Maria vor dem Jesuskind. Josef hält eine Laterne in die Höhe, während sich Hirten, Könige und Tiere um die Krippe versammelt haben. Wenige Meter entfernt hängt der Heiland in dutzendfacher Ausführung am Kreuz. „Im besten Fall erkennt man die unterschiedlichen Darstellungen und Charaktere der Figuren allein an den geschnitzten Gesichtern“, sagt Sebastian von Zülow. Ihn kennen alle hier im niederbayerischen Bodenmais nur als den Herrgottschnitzer, der passenderweise am Dreifaltigkeitsplatz seine Arbeit verrichtet.
Viel Geduld und viel Gefühl
Religiöse Volkskunst ist das Markenzeichen des 46-Jährigen, dessen Wurzeln bis nach Israel reichen. Sein Großvater war Diplomat in Haifa, sein Vater lernte das Handwerk des Holzbildhauers in Garmisch-Partenkirchen. Bis es ihn Anfang der 1960er-Jahre in den Urlaubsort tief im Bayerwald verschlug. Heute führt Sebastian von Zülow als eines von vier Geschwistern den Betrieb, seines Zeichens ausgebildeter Kirchenmaler. Der Begeisterung für den Werkstoff Holz konnte er sich aber schon als Kind nicht entziehen. „Meine erste selbst geschnitzte Figur war ein Fisch“, erinnert er sich. Da verwundert es wenig, dass das Fliegenfischen neben dem Imkern und Schnitzen zu seinen liebsten Hobbys gehört. Denn eines haben alle drei Tätigkeiten gemein: „Du brauchst viel Geduld und viel Gefühl.“
Sägen, schnitzen, malen
Geduld ist auch gefragt, als der Herrgottschnitzer in seiner Werkstatt einen kleinen Jesusknaben in der Krippe zur Hand nimmt. Zuvor hat er aus einem Holzstück die Kontur der späteren Figur ausgesägt. Schnitzeisen in verschiedenen Breiten verleihen die gewünschte Form. Gut sichtbar erhebt sich eine Decke über dem geriffelten Bett aus Stroh, samt Heiligenschein. Nun trägt von Zülow eine Lasur auf, greift zu seiner Farbpalette und mischt einen hellen Grünton zusammen. Dicke Borsten gleiten um die Figur, bis die Pinselstriche filigraner werden. Fein schattierte Pausbacken, Haaransätze und Pupillen zieren das wenige Millimeter große Gesicht. Farbloses Bienenwachs schützt das Ganze. Ein neuer Jesus ist geboren.
Von der Krippen- bis zur Porträtfigur
Am besten eignen sich Weymouthskiefer und das gleichmäßig helle wie weiche Lindenholz zum Schnitzen. Je nach Aufwand braucht von Zülow für einfache geschnitzte und bemalte Krippenfiguren rund eine Stunde. Detaillierte Arbeiten wie das Anfertigen einer Porträtfigur dauern mehrere Wochen. Dann wird das eigene Konterfei auf Wunsch als kleine Holzskulptur verewigt. Selbst die Bemalung ist komplex: mehrere Grundierungen etwa unter einer Blattvergoldung benötigen jede Menge Aufmerksamkeit. Kundenaufträge kommen dabei aus aller Welt, darunter Frankreich oder Amerika. Fünf Mitarbeiter helfen im Betrieb.