Weihnachten weiß-blau

Weihnachten weiß-blau

Es ist der 24. Dezember, 9.15 Uhr. Xaver sitzt vor der Standuhr in Opas guter Stube und beobachtet den kleinen Zeiger bei seiner Runde. 9.16, 9.17, 9.18 Uhr. Mei, es dauert noch so lang bis zur Bescherung. Der Großvater im Schaukelstuhl hat Erbarmen. „Du, ich erzähl Dir jetzt die Weihnachtsgeschichte, damit Du Dich nicht so arg langweilst.“ Xaver klettert auf seinen Schoß, und los geht’s:
„Vor zweitausend Jahren lebte in Nazareth in Galiläa eine Frau, die wurde schwanger, obwohl sie noch Jungfrau war. Doch noch vor der Geburt befahl Kaiser Augustus eine Volkszählung und Herodes wollte alle neugeborenen Jungen töten lassen, da er Angst vor einem Thronraub hatte.“
„Wo ist Galila und was ist eine Jungfrau, Opa?“, fragt Xaver. „Und wer sind August und Hero?“
„Mei,“ sagt Opa, „I seg scho, I fang am besten ganz von vorn an. So, wie die Gschicht‘ bei uns passiert wär:
Stell Dir vor, die Maria hat an Freund, den Sepp, an Tischler. Und auf einmal wächst da a Bua in ihrem Bauch, obwohl sie noch garned verheiratet ist. Zuerstamol regt si der Sepp arg auf, weil er denkt, sei Maria hat mit am andern busselt. Aber da kimmt a Engerl und erklärt, dass Gott selber der Vater is. Und wie sie den Buam nennen sollen, sagt er ihnen a glei: Jesus. Als der Bauch von Maria schon so dick is wia a Fußball, müssen Maria und Sepp a Reise machen in das Dorf, wo da Sepp herkommt. Der Weg is weit, es is hoaß, und Maria kann ned so lang laufen. Deshalb darf sie auf einem Esel reiten. Am Abend wollen sie in einem Gasthaus schlafen, doch überall sind die Betten voll. Endlich sagt eine Wirtin: ‚I hätt noch Platz im Stall, der Ochs hält Eich warm. An Esel hob i leider ned, aber i schick Eich mein Mo, der is a an oider Esel und so wie der schwitzt, gfrierts Eich da nimmer.‘

Im Stall ist es gmiatlich auf Heu und Stroh. Und während der Storch der Maria und dem Sepp des Christkindl, bringt – den Jesus moan i – passieren draußen in der Nacht no ganz andere Wunder:
Die Schafhirten auf’m Donaudamm purzeln vor Schreck fast in den Fluss, als plötzlich ein leuchtender Mann mit Flügeln vor ihnen erscheint. Er erzählt, dass der Herrgott an Sohn gekriegt hat, in einem Stall, da ganz in der Näh‘. ‚Ja leck mi doch‘, ruft der älteste Hirte, pfeifft oamal scharf und schon treiben die Hunde alle Schafe zusammen. Herde und Hirten ziehen los, des heilige Buzerl zu suchen.
A paar Dörfer weiter treten grad drei Schützenkönige aus der Tür einer Wirtschaft in die dunkle Nacht, als ein strahlend heller Stern am Himmel über ihnen erscheint. ‚A Sternschnuppn!‘, meint der Kasper. ,Ah geh, sternhagelvoll bist halt,‘ lacht Melchior. Aber auch der dritte, Balthasar, sieht den Stern leuchten: ‚Saxndi, der bewegt si!‘ Sie haken sich unter und torkeln dem Stern hinterher, nicht immer ganz grad, bis der Stern auf einmal stehen bleibt, direkt über einem Stall.
Drinnen finden sie Maria und Sepp, einen Ochsen, den Wirt, die Hirten, eine laut blökende Schafherde und in einer Krippe ein friedlich schlafendes Kind. Zur Geburt schenken sie ihm das, was sie grad so in ihren Taschen haben: A Dosn Schnupftabak, a halbe Brezn und a Biermarkerl, fürs nächste Volksfest. ‚Man merkt glei, dass des a heiligs Kind is‘, meint Kasper. ‚Bei dem Geblöke kennts sonst ned schlofa.‘ Die Männer teilen sich den Schnupftabak, und dann läuft der Wirt kurz heim, Bier holen. Schließlich müssen sie Gottes Sohn mit einem zünftigen Babypinkeln empfangen.
Und seitdem“, schließt Opa, „machen wir es jedes Jahr wie die Schützenkönige: Wir verteilen Geschenke und feiern die Geburt von dem Jesus-Buzerl.“ Xaver auf seinem Schoß nickt nicht, hat keine Fragen mehr. Er ist längst eingeschlafen. So vergeht die Zeit bis zur Bescherung noch schneller.

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von Ulrike Kühne

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